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Mittwoch, 28. Oktober 2020

Vor 75 Jahren: Sartres neue Definition des Humanismus


Es war der 28. Oktober 1945, als Sartre im »Salle des Centraux« seinen legendären Vortrag über die Klarstellung des Existentialismus hielt. Eine gewaltige Menschenmenge strömte herbei, in der Erwartung, die herbeigesehnten Erklärungen wie allgemeingültige Gesetze verkündet zu bekommen. Die Kasse wurde überrannt, Stühle brachen und eine unvorstellbare Hitze erfüllte den Saal, als Sartre sich nach 15 Minuten den Weg zum Pult gebahnt hatte und mit den Händen in den Hosentaschen seinen Vortrag begann. Die Intention, die dieser Rede zugrunde lag, war die Frage nach dem Wert des Humanismus zu beantworten, dessen Bestimmung aufgrund der grauenhaften Geschehnisse, wie sie durch den zweiten Weltkrieg verursacht wurden, fraglich geworden war.

Jean-Paul Sartre

Sartre hielt es nach dem Krieg für angebracht, den zerbrechlichen Humanismus zu rehabilitieren bzw. neu zu definieren. Des Weiteren galt es umfangreiche Fehlinterpretationen, die über den Existentialismus in Umlauf gekommen waren, klarzustellen und seine negative Konnotation, die im Zusammenhang mit den Begriffen Pessimismus, Quietismus und Verzweiflung stand, zu korrigieren.

Das Sein und das Nichts

Da sein erstes großes Hauptwerk »Das Sein und das Nichts«, in dem er auf 1.000 Seiten seine Philosophie formulierte, zu terminologisch und abstrakt für die Popularisierung seiner Existenzphilosophie war, schraubte er das Niveau in seinem Vortrag so weit herunter, das er einprägsame Sätze wie „Die Existenz geht der Essenz voraus“ oder „Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht“, salonfähig machen konnte. Später bezeichnete er diese Absicht als Fehler, da viele Aspekte, seiner Ansicht nach als zu vereinfacht dargestellt wurden.

Der geschichtliche Augenblick den Sartre wählte, um den Status humanistischer Werte zu bestimmen, da diese sich als äußerst zerbrechlich herausgestellt hatten, war zwar angebracht, jedoch rehabilitierte er diese nicht neu, sondern beseitigte gleich deren Existenz und verkündete, dass es sie nie gegeben habe. Wertvorstellungen wie Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit, stellen Sartre zufolge keine a priori feststehenden Bedingungen dar, sondern hängen von der subjektiven Realisierung ab, durch die wir sie in jeder Situation von neuem verwirklichen. Da Gott als Werteproduzent weggefallen ist, liege es am Menschen die Werte neu zu erfinden bzw. auch über deren Gültigkeit zu entscheiden, so Sartre. Moralische Normen bestehen nicht als kollektive Gegebenheiten, sondern obliegen dem einzelnen Menschen, der erst durch seine Handlungen erkennen lässt, welche Werte in der Welt bestehen sollen.

Der Mensch muss jedoch nicht nur die Werte erfinden, sondern auch sich und seinen Lebensentwurf. Als in die Welt geworfenes Lebewesen, muss der Mensch unentwegt darüber entscheiden, wer er sein möchte und sieht sich daher ständig in einer Situation, in der er über sich wählen muss. Der Mensch besitzt die Fähigkeit zur Transzendenz, also die Möglichkeit sich unablässig zu überschreiten und neu zu definieren. Sartre spricht auch von einem Riss im Sein, der es verhindert, dass wir eben nicht wie ein Stein von einer fertigen Wirklichkeit erfüllt werden, sondern immer wieder aus uns herausgetrieben werden, um uns zu bestimmen. Wir leben in einer ständigen Distanz zu uns selber, die es verhindert, unser Selbst gänzlich zu erreichen und stattdessen uns immer wieder von uns losreißt, wie es Sartre in dem Werk »Das Sein und das Nichts« aufgezeigt hat. Es gibt kein auffindbares „Sich“, das dem Menschen seinen Persönlichkeitskern aufzeigen und ihm ein Kellner-Sein, ein Arzt-Sein oder dergleichen offenbaren könnte. Wir können nur durch unsere Freiheit danach streben uns dieser sich kontinuierlich entfernenden Idealität immer wieder anzugleichen. Eine Übereinstimmung kann uns jedoch nie gelingen. Sartre spricht hierbei von „Unaufrichtigkeit“, um zu verdeutlichen, dass der Mensch ständig in der Verpflichtung ist, sich ein Sein zu verleihen, nur um es im nächsten Augenblick wieder zu verlieren.


Die Existenz geht also der Essenz voraus, eine Klarstellung, die lange Zeit in der Geschichte als unmöglich gehalten wurde. Was einstmals Gott festlegte, liegt nun in den „zur Freiheit verurteilten Menschen“, Doch verträgt der Mensch überhaupt so viel Macht und fühlt er sich nicht vielmehr hoffnungslos überfordert? Bedarf es eine Theorie, die den Menschen als Angst, Verlassenheit und Einsamkeit definiert? Nach Sartre verbleibt dem Menschen keine andere Wahl, da mit dem Ausschalten der Hypothese Gottes auch die hoffnungsverleihende Sinngebung beseitigt wurde. Gabriel Marcel, ein Vertreter des christlichen Existentialismus war diese Ansicht zu radikal und wollte der Autonomie des einzelnen Menschen, durch die Liebe und dem menschlichen Miteinander mehr Hoffnung verleihen.

Philosophisch betrachtet erfährt der Mensch dabei folgende Rechtfertigung:

"Der Mensch ist für sich, sein Tun und Lassen selber verantwortlich. Es gibt oder braucht keine Rechtfertigung ausserhalb des Menschen. Deshalb ist der Existenzialismus ein Humanismus."


Der Existenzialismus entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist. Es findet seinen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch ist. Sie entspringt dem Gegensatz zwischen dem selbstbewussten, von Hoffnungen erfüllten und in Handlungen sich entäußernden menschlichen Geist und der ihm gegenüberliegenden undurchdringlichen, immanenten Welt, an der sein Streben immer wieder scheitert. Diese Absurditätserfahrung wirft die Frage nach Sinn und Wert des menschlichen Lebens auf.

Doch warum ist der Existentialismus ein Humanismus? Sartre geht es um den Umstand, das das menschliche Sein etwas fortlaufend zu erschaffendes sei. Als alleiniger Gesetzgeber kann der Mensch sich nur dadurch zur Existenz erheben, indem er sich durch die Verwirklichung von Handlungen realisiert. Der Mensch kann demnach nicht als ein Endzweck betrachtet werden, da er sich durch zweckorientiertes Handeln in jeder Situation wieder hervorbringen muss. Weiterhin trägt der Mensch nicht nur für seine Handlungen die Verantwortung, sondern darüberhinaus muss er sich bewusst sein, dass er durch seine getroffene Wahl die Menschheit mitengagiert.

Neu waren Sartres Ansichten nicht. Schon Sören Kierkegaard machte die Angst als eine Grundbefindlichkeit des Menschen aus und auch Martin Heidegger stellte den Menschen als ein kontingentes Lebewesen dar, das sich der Angst geschickt zu verbergen gelernt hat, indem er sich an die Strukturen der Welt verliert. Auch sollte Heidegger mit seinem berühmten »Brief über den Humanismus« sich indirekt wenige Jahre später auf Sartre und seine Ansichten beziehen. Faszinierend wird Sartres Konzept des Existentialismus auch weiterhin bleiben und auch die vielen Missverständnisse werden wohl weiterhin präsent bleiben, da sich der Universitätsbetrieb mittlerweile von den existentiellen Grundfragen weitestgehend verabschiedet hat.

Literatur:

Der Existentialismus ist ein Humanismus und andere philosophische Essays 1943 - 1948
Der Existentialismus ist ein Humanismus
von Jean-Paul Sartre

Weblink:

Jean-Paul Sartre - www.jean-paul-sartre.de

Samstag, 12. August 2017

Humanismus bedingt den freien Geist


Der Geist des Humanismus ist die vorherrschende geistige Grundströmung seiner Zeit des Mittelalters. Der Humanismus war nicht auf Gott bezogen, sondern auf die Menschen. Das zeigte sich im Selbstbewußtsein seiner Vertreter und auch der Wohlhabenden in der damaligen Zeit.

Führende Vertreter des Humanismus waren Theologen wie Erasmus von Rotterdam sowie Martin Luther und auch freie edelmütige Reichsritter wie Franz von Sickingen und Ulrich von Hutten.

Der Humanismus verkündet den freien, den unabhängigen Geist. Er bedingt den freien Geist, denn nur ein freier Geist kann die Lehre des Humanismus in sich tragen. Die Reformation ist aus der Lehre des Humanismus entstanden, sie hat ihre gesitige Wurzel in dieser Lehre.

Humanismus und Reformation stehen dabei in einem Wechselspiel der geistigen Kräfte. Beide Lehren, obwohl Brüder im Geiste, waren doch recht unterschiedlicher Natur: der Humanismus eine reine Geisteslehre und die Reformation eine religiöse Reformbewegung der Erneuerung.


Die Lehre des Humanismus hat der Reformation den geistigen Weg geebnet. Der weltliche Humanismus wurde in einen kirchlichen Humanismus verwandelt. Luther leitete daraus für sich selbst das intensive Studium der Bibel ab: Humanismus hieß also für ihn vor allem Rückbesinnung auf die griechischen und hebräischen Originalschriften der Bibel - Bibelhumanismus.

Im Zeitalter von Reformation und Glaubensspaltung in Europa vermochte sich das auf Frieden und Versöhnung zielende Wirken des fraglos bedeutendsten Humanisten seiner Zeit, des Erasmus von Rotterdam, jedoch nicht zu behaupten. Seine Werke wurden 1559 katholischerseits verboten.

Literatur:

Reformation, Humanismus, Renaissance
Reformation, Humanismus, Renaissance
von Gerhard Henke-Bockschatz und Klaus Pfitzer


Weblink:

Franziskus: „Europa muss neuen Humanismus zur Welt bringen

Blog-Artikel:

Luther und der Humanismus

Samstag, 5. August 2017

Braucht Europa einen neuen Humanismus?

Jedes Zeitalter und jede Kultur gebiert ihren eigenen Humanismus. Auftretender Humanismus ist immer ein Zeichen des Aufbruchs. Der Humanismus nimmt zumeist eine Stellung gegen die herrschenden Verhältnsisse ein.

Die politischen Verhältnisse in Europa sind eine Bankrotterklärung an den Humanismus. Sie sind mit einem Humanismus nicht mehr zu vereinbaren.

Angesichts der sittenlosen politischen Zustände in den Ländern Europas, wo Zustände des üblen Manchester-Kapitalismus sich eine kleine Klasse von Besitzbügern sich immer weiter auf Kosten der breiten Bevölkerung bereichert, ist die berechtigte Frage zu stellen: Braucht Europa einen neuen Humanismus?

Den Humanismus des alten Europa ist etwas skeptisch zu betrachten, weil das lediglich eine Geisteshaltung war, die viel idealisierte und vor allem mißachtete, daß Europa in weiten Teilen eine Sklavengesellschaft war, die sich in Stände, Kasten und Klassen unterteilte.

Der Humanismus des alten Europa ist angesichts der Flüchtlingswelle und der Verelendung ganzer Bevölkerungsschichten eine Bankrotterklärung an jede zivilisierte Welt. Dieser verdient seinen Namen nicht und ist allenfalls eine verbrauchte Scheinlehre. Er ist eine Verfallserscheinung.

Der Geist des Humanismus ist die vorherrschende geistige Grundströmung seiner Zeit des Mittelalters. Er verkündet den freien, den unabhängigen Geist. Humanismus bedingt den freien Geist. Die Reformation ist aus der Lehre des Humanismus entstanden, sie hat ihre Wurzel in dieser Lehre.

Die Lehre des Humanismus hat der Reformation und damit der Erneuerung gegen restaurative Zustände den geistigen Weg geebnet. Luther leitete daraus für sich selbst das intensive Studium der Bibel ab: Humanismus hieß also für ihn vor allem Rückbesinnung auf die griechischen und hebräischen Originalschriften der Bibel - Bibelhumanismus. Beide Lehren, obwohl Brüder im Geiste, waren doch recht unterschiedlicher Natur: der Humanismus eine reine Geisteslehre und die Reformation eine religiöse Reformbewgung der Erneuerung.


Weblink:

Franziskus: „Europa muss neuen Humanismus zur Welt bringen