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Samstag, 25. Mai 2019

Europa - eine politische Phantasie der Dichter


Europa ist eine politische Phantasie, hervorgegangen aus dem Mythos der Antike, tief in der Mentalitätsgeschichte des Kontinents veranlagt und hat demgemäß auch eine lange Tradition innerhalb der literarischen und philosophischen Diskurse, die die politischen Debatten flankieren. - Eine kleine Literaturgeschichte der Europa-Essays.

Nur ein Dichter kann den Sinn von Europa erraten. - Seit der Romantik waren es die Dichter, die sich Gedanken über die Wiedergeburt von Europa oder Europas großes Erwachen gemacht haben. Bei Kerzenschein und mit Federkiel wurde eine Geschichte aufgeschrieben, die heute als das erste Europa-Essay gilt. Europas großes Erwachen. Prominente Europa-Essays von 1800 bis heute.


Schon 1799 träumte Novalis in seinem Essay »Die Christenheit oder Europa« die Aussöhnung und Vereinigung der europäischen Nationen herbei oder, wenn man lieber will, voraus. Natürlich hatte er dabei keine zweckpolitische Kooperation vor Augen, er wollte unter der Ägide einer sich neu formierenden katholischen Kirche eine supranationale und transkulturelle Idealzivilisation heraufdämmern sehen.

Nach einer ausgedehnten Periode der säkularen Verwahrlosung und Zertrennung, in der diverse Formen neuzeitlicher Weltaneignung durchgeprobt und auf die Spitze getrieben worden seien, stehe dem Kontinent nun die gloriose Reinkarnation des mittelalterlichen, alt-christlichen Europa, und damit verbunden, ein Wiedererwachen des heiligen Sinns fürs Universelle bevor. Strukturelle Bezugspunkte und zugleich Vorboten für dieses spirituelle Großereignis erkannte Novalis in der kontinuierlich fortschreitenden Vernetzung der Wissenschaften, im grenzüberschreitenden Aktivismus des Jesuitenordens sowie in Fichtes Erkenntnistheorie:

»Wenn eine neue Regung des bisher schlummernden Europa ins Spiel käme, wenn Europa wieder erwachen wollte, wenn ein Staat der Staaten, eine politische Wissenschaftslehre uns bevorstände!«

Novalis

Vielleicht versteht der Dichter ja mehr von den Seelenbünden, den geheimen Wünschen und verborgenen Wirkungsmächten als ein Philosoph. Für den großen Romantiker Novalis war Europa jedenfalls eine glückliche Verheißung. Ähnlich wie in der Verfassungsvertragspräambel verrät sich in Novalis‘ Text die Ahnung, dass die Verheißung eines glücklichen Einklangs von entfesseltem bürgerlichem Expansionismus und sozialem Wertbewusstsein dem Versprechen des Unmöglichen gleichkommt. Novalis beschwört demzufolge die kommende goldene Zeit als einen ›Heiland, der wie ein echter Genius unter den Menschen einheimisch, nur geglaubt nicht gesehen werden‹, jedoch ›unter zahllosen Gestalten den Gläubigen sichtbar, als Brot und Wein verzehrt, als Geliebte umarmt, als Luft geatmet, als Wort und Gesang vernommen‹ und schlussendlich ›mit himmlischer Wollust, als Tod, unter den höchsten Schmerzen der Liebe, in das Innere des verbrausenden Leibes‹inhaliert werden kann.

»Es waren schöne glänzende Zeiten, wo Europa ein christliches Land war,
eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Erdteil bewohnte.«


Novalis

Im 20. Jahrhundert war die große Romantik geschwunden, der Wunsch nach einem neuen Europa aber war geblieben. In die Vorstellung von Europa sind viele Geister eingegangen und was diese Geister als Inspiration eingebracht haben, ist ein Teil der europäischen Geistestradition.




Erzähl mir Europa I

Philosophen sind dazu angetan, die Welt rational, perspektivisch und reflexiv zu sehen. - In der Tradition der Europa-Essays dann eine Neubegründung durch Peter Sloterdijk.

Mit besonderem Nachdruck schließt 1994 Peter Sloterdijk an Paul Valérys Fortschrittsappelle an. In dem Essay mit dem anspielungsreichen Titel »Falls Europa erwacht«, verbindet er das Theorem von der genialen Progressivität des europäischen Geistes effektvoll mit Novalis‘ Idee einer Wiedergeburt Europas. Überall dort, so hatte Valéry zum Ende seiner Europareflexionen noch einmal bekräftigt, wo ›der europäische Geist zur Vorherrschaft‹ komme, trete ein ›Ensemble von Maxima‹ in Erscheinung: ein Maximum an Arbeit, Kapital, Macht, an ›Eingriffen in die äußere Natur‹, an ›Beziehung und Austausch‹. Sloterdijk erklärte diese Optimierungsthese zur nach wie vor ›gültige[n] Formel für die europäische Modernisierungsdynamik‹.


Sloterdijk bringt auf der Suche nach einer Antwort das ganze Arsenal europäischer Integrationsarchetypen in Stellung. Angesichts der Aufgabe, Europas politisches Selbstverständnis zu reformieren, imaginiert er Europa als ein weibliches Wesen, das das ihm Andere aus sich hervorzubringen vermöchte: ›Aus gutem Grund‹, so Sloterdijk, ›suchen die besten europäischen Intellektuellen nach subversiven Traditionen und Verfahren, die das Fremde im Eigenen, das Andere im Selben offenlegten. - Ja, wenn Europa doch ein Weib wäre.


Sowohl die Betitelung Europas als ›Weib‹ wie auch die Forderung nach einer Transzendenz genuin europäischer Wesensmerkmale zugunsten ihrer idealen Entfaltung sind Nietzsche entlehnt. Aus dem Kontakt zwischen männlicher Herrschaftslogik und weiblicher Antiautorität, der Kreuzung von ›Reich‹ und ›Nicht-Reich‹ wollte auch Sloterdijk eine neue, potente Menschheit hervorgehen sehen. Die kommenden Generationen sollen wieder Appetite für das Große entwickeln.

Daneben werden in seienr Progression Fichtes Tatphilosophie und Novalis‘ magischer Idealismus in Dienst genommen. Europa soll, um sich als Kosmos selbst quasi neu zur Welt zu bringen, in einem Akt ›rationaler Autosuggestion‹ oder des ›luziden Träumens‹ aus dem Material seiner politischen und ideellen Tradition eine Vision kreieren, an die es selbst zu glauben vermöchte und sie dann umsetzten ›wie ein alte lange inkarnierte Mission‹. In der Rebellion gegen die Misere des homo sapiens, gegen seine Endlichkeit und dem daraus geschöpften genuin europäischen Antrieb, ›Lebensformen zu schaffen, die den Menschen als ein von Grund auf reiches und zur Größe fähiges Wesen würdigen‹, erkennt Sloterdijk das Medium, durch das sich ein entsprechendes Sendungsbewusstsein auf adäquate Weise materialisieren könnte. Denn Europas historisches Recht sei ›seine große Aussage über den Menschen‹, sein Unrecht die ›Ausschließung der meisten aus dem Umfang des eigenen Besten‹. Im Sinne dieses Rechtsverständnisses erteilt er Europa das Mandat, die Welt mit Demokratie, Menschenrechten, Wissenschaft sowie mit der destillierten Güte des Lebens zu versorgen.

Ob nun Dichter, Denker oder Philosoph, ob dabei einer mythischen Geschichte folgend, mythologisch verklärt, ob als Schaumgeburt oder als Kopfgeburt oder einem aufklärerischen Impuls folgend, ob Narrativ oder Essay - Europa muß im 21. Jahrhundert neu gedacht werden - muß sich (in einem spirituellen Akt) quasi neu zur Welt bringen! - Nehmen wir dazu ein bischen von Novalis‘ magischen Idealismus, von Paul Valérys Fortschrittsappellen und von Sloterdijks genialer Progressivität und träumen wir von einem neuen Europa!

Weblinks:

Die Neue Europa - www.globkult.de/politik/europa

Novalis-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Paul Valéry-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Samstag, 18. Mai 2019

»Falls Europa erwacht« von Peter Sloterdijk

Peter Sloterdijk

In der Tradition der Europa-Essays eine Neubegründung durch Peter Sloterdijk. »Falls Europa erwacht« ist ein 2002 veröffentlichter Essay von Peter Sloterdijk - eine 60-seitige Niederschrift einer umfassenden Betrachtung europäisch-politischem Bewusstseins, welches heute der unmodernen Tugend des Mutes und vor allem der visionären Phantasie eine neue Herausforderung abverlangt.

Auf dem Fundament seines weitreichenden Kulturwissens zeigt Peter Sloterdijk überzeugend historische Steuerungsprozesse, die bis heute europäisches Staats- und Machtverständnis prägen und offensichtlich als imperiales Gen die Europapolitik bestimmen und formen. Ohne eine durchgreifende Mutation an dieser Erbmasse, sieht der Autor keine Zukunft für eine moderne Kultur.

"Europa, einstmals „Reich der Mitte", ist seit 1945, nach dem Zweiten Weltkrieg, aus seiner überlieferten Stellung in der Mitte der Welt herausgefallen. (Seite 7)."

Es geht Sloterdijk in seinem Essay um Europa und seinem Bewußtsein, denn dieses Bewußtsein von Europa wartet immer noch auf sein Erwachen. Sollte die politische Einbildungskraft der Europäer noch einmal offensiv anspringen, dann nur, wenn sie von dem Elan ergriffen würden, eine ganz neuartige, verfremdete Fortsetzung ihrer Geschichte zu erfinden‹.

Dieses Europa wurde 1945 durch die Alliierten von der nationalsozialistischen Diktatur befreit – zugleich aber von neuen Weltmächten im Westen und im Osten in die Zange genommen: Diese Doppelerfahrung der Befreiung und der endgültigen Aufgabe der einstigen Vormachtstellung Europas zieht sich über zwei Generationen hinweg. Erst nach der Lösung der Supermächteklammer sind die Europäer imstande, die Fragen nach den prägenden Merkmalen okzidentaler Identität mit neuer Verbindlichkeit zu stellen.

In dem Essay mit dem anspielungsreichen Titel »Falls Europa erwacht«, verbindet er das Theorem von der genialen Progressivität des europäischen Geistes effektvoll mit Novalis‘ Idee einer Wiedergeburt Europas. Überall dort, so hatte Valéry zum Ende seiner Europareflexionen noch einmal bekräftigt, wo ›der europäische Geist zur Vorherrschaft‹ komme, trete ein ›Ensemble von Maxima‹ in Erscheinung: ein Maximum an Arbeit, Kapital, Macht, an ›Eingriffen in die äußere Natur‹, an ›Beziehung und Austausch‹. Sloterdijk erklärte diese Optimierungsthese zur nach wie vor ›gültige[n] Formel für die europäische Modernisierungsdynamik‹.

Wie aber wäre Europas großes Erwachen unter den pazifistischen und postimperialen Bedingungen des späten 20. Jahrhunderts ins Werk zu setzen? Auch Sloterdijk bringt auf der Suche nach einer Antwort das ganze Arsenal europäischer Integrationsarchetypen in Stellung. Angesichts der Aufgabe, Europas politisches Selbstverständnis zu reformieren, imaginiert er Europa als ein weibliches Wesen, das das ihm Andere aus sich hervorzubringen vermöchte: ›Aus gutem Grund‹, so Sloterdijk, ›suchen die besten europäischen Intellektuellen nach subversiven Traditionen und Verfahren, die das Fremde im Eigenen, das Andere im Selben offenlegten. Ja, wenn Europa ein Weib wäre…




Es ist, so argumentiert Peter Sloterdijk, täglich bedrängender eine Situation entstanden, in der Europas Politiker aus ihrer Verwirrung nicht mehr herausfinden, wenn sie nicht geschichtsphilosophische Informationen und klare prophetische Orientierungen suchen.

Wie kann Europas Stellung heute beurteilt werden? Haben Europäer wieder gelernt, »Großes von sich zu fordern«, um einen Wiedereintritt in einen Horizont großer und größter Herausforderungen zu gewährleisten?




Europa muß neu gedacht werden! - Sloterdijk erweist - anknüpfend an die Tradition europäischer Essays - sich darin als Vordenker einer neuen Vision von Europa. Besonders faszinierend ist sein Postulat nach einer ganz eigenen und fundamental neuen Vision, die jede traditionelle Rechtfertigung politischer Macht in transzendentem göttlichen Auftrag oder irdischem Elite-Bewusstsein ablegt und ganz neue Motive und Strukturen europäischen Bewusstseins beinhaltet, die sich - ohne jede Erfahrungswerte - gegen Konservativismen und vor allem gegen "historisch erworbene Skepsis"  erst noch durchsetzen müssen.

Weblinks:

Peter Sloterdijk - Falls Europa erwacht - petersloterdijk.net


Rezensionen:

Rezension zu: P. Sloterdijk: Falls Europa erwacht - H-Soz-Kult - www.hsozkult.de

Peter Sloterdijk: Falls Europa erwacht - Begleitschreiben - www.begleitschreiben.net

Literatur:


Falls Europa erwacht: Gedanken zum Programm einer Weltmacht am Ende des Zeitalters ihrer politischen Absence
von Peter Sloterdijk

Sonntag, 25. Juni 2017

Peter Sloterdijk 70. Geburtstag

Peter Sloterdijk

Der Philosoph, Kulturwissenschaftler und Buchautor Peter Sloterdijk wurde vor 70 Jahren am 26. Juni 1947 als Sohn einer Deutschen und eines Niederländers geboren. Peter Sloterdijk gilt nicht nur als einer der wichtigsten deutschen Intellektuellen, sondern auch als ebenso risikofreudiger wie schwerverständlicher Denker am Puls der Zeit. Der Philosoph wurde 1983 mit seinem Werk »Kritik der zynischen Vernunft« zum philosophischen Shooting-Star.

Der kritisch reflektierende Denker Peter Sloterdijk gehört zu den massgeblichen intellektuellen Instanzen in Deutschland. Sloterdijk ist eine Koryphäe: rhetorisch gewandt, diskurssicher als auch feuilletonbewährt - gute Voraussetzungen für eine nachhaltige Wirkung seiner Lehre und Ansichten.

Sloterdijk ist ein grosser Stilist und Querdenker, der sich immer wieder in aktuelle Debatten einmischt oder sie auch anstösst. Der Philosoph sorgt mit seinen Wortmeldungen regelmässig für Erstaunen und Aufregung. Er ist im akademischen Betrieb genauso zu Hause wie in den Feuilletons. Mit seinen Büchern hat er eine breite Leserschicht erreicht, die weit über die philosophische Fachwelt hinausreichen und ihn populär gemacht haben. Mit seinen Beiträgen und Büchern hat der streitbare Philosoph in Deutschland zahlreiche Debatten ausgelöst und angeregt.

Von 1968 bis 1974 studierte er in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. 1971 erstellte Sloterdijk seine Magisterarbeit mit dem Titel »Strukturalismus als poetische Hermeneutik«.

In den Jahren 1972/73 folgten ein Essay über Michel Foucaults strukturale Theorie der Geschichte sowie eine Studie mit dem Titel »Die Ökonomie der Sprachspiele. Zur Kritik der linguistischen Gegenstandskonstitution«. Im Jahre 1976 wurde Peter Sloterdijk von Professor Klaus Briegleb zum Thema »Literatur und Organisation von Lebenserfahrung. Gattungstheorie und Gattungsgeschichte der Autobiographie der Weimarer Republik 1918-1933« promoviert.

Zwischen 1978 und 1980 hielt sich Sloterdijk im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh (später Osho) im indischen Pune auf. Seit den 1980er Jahren arbeitet Sloterdijk als freier Schriftsteller. Das 1983 im Suhrkamp Verlag publizierte Buch »Kritik der zynischen Vernunft« zählt zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts.

Seit 2001 ist Sloterdijk in Nachfolge von Heinrich Klotz Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe sowie dort Professor für Philosophie und Ästhetik.

Mit streitbaren Thesen äußert er sich regelmäßig zum aktuellen Zeitgeschehen. Im Alter weist jedoch Sloterdijks Denken nicht mehr aufklärerische Impulse früherer Tage, sondern Züge eines bewahrenden und strukturellen Konservatismus auf. Sloterdijk geht es nicht mehr um Aufklärung, sondern um Bewahrung. Verschwunden ist auch der kynische Impuls seines reflektierenden Denkens.

Er bestätigt damit unfreiwillig seine eigene These, daß Herrschaftswissen, welches zu lange an der Macht ist, irgendwann zynisch wird. Niemand schreibt bekanntlich so schlecht wie die Verteidiger alternder Ideologien.


Weblink:

Peter Sloterdijk - Der Philosoph und Autor befragt von Frank A. Meyer - 3 Sat Kulturzeit


Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
»Kritik der zynischen Vernunft«
von Peter Sloterdijk


Was geschah im 20. Jahrhundert?: Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft
von Peter Sloterdijk


Blog-Artikel:


»Was geschah im 20. Jahrhundert? Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft«


Peter Sloterdijk ist selbst zum Zyniker geworden


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<a title="Philosophenwelt-Blog" href="http://philosophen-welt.blogspot.de">Philosophenwelt-Blog</a>

<a http://philosophen-welt.blogspot.de/2017/06/peter-sloterdijk-70-geburtstag.html">Peter Sloterdijk 70. Geburtstag</a>

Samstag, 5. März 2016

»Was geschah im 20. Jahrhundert? Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft« von Peter Sloterdijk


Was geschah im 20. Jahrhundert?:
Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft

In seinem neuesten Werk »Was geschah im 20. Jahrhundert?: Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft« charakterisiert Peter Sloterdijk das 20. Jahrhundert als eine Epoche der »extremistischen Vernunft«. Das Werk ist eien essayisitiscxhe Zeitdiagnose und ein zeitgeschichtlicher Seinsbefund.

Peter Sloterdijk knüpft mit den sechs in diesem Bund vereinten, thematisch verbundenen Essays an seine monumentale Trilogie »Sphären« an: In ihr ging es um nicht weniger, als um eine Explikation der Entwicklung der Menschheitsgeschichte anhand dieses atmosphärisch-ökologischen Konzepts. Es erlaubt Sloterdijk, das 20. Jahrhundert in ebenso radikaler wie überrachender Weise neu zu beschreiben.

Sloterdijk analysiert diese Ära als eine Zeit der Erfüllungen: Das 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert der triumphierenden Ungeduld, die zu allem fähig ist. Es ist das Jahrhundert des sofortigen Vollzugs, in dem das Standrecht der Maßnahmen sich an die Stelle von Geduld, Vertagung und Hoffnung setzt.

Diese Epoche kannte nie ein »Prinzip Hoffnung«, sondern immer nur ein Prinzip Sofort, das sich aus zwei kooperierenden Größen zusammensetzte, dem »Prinzip Ungeduld« und dem »Prinzip Gratis«. Diesen Prinzipien werden leitende Motive: Es geht von jetzt an immer darum, zu arbeiten, um nicht mehr arbeiten zu müssen.

Jede Anstrengung hat nur noch einen vorläufigen Charakter. Man ist zum letzten Mal geduldig, um endlich, nach dem großen Fund, nie mehr geduldig sein zu müssen. Der tiefste Traum Europas ist die Arbeitslosigkeit, die aus dem materiellen Wohlstand entspringt.



Sloterdijk demonstriert, dass solcher Traum nur gelingt, wenn er sich auf einen »universellen Schatz« stützen kann: den gesamten Erdball und dessen uneingeschränkte Ausbeutung. Wenn das 20. Jahrhundert die Verwirklichung dieser Träume auf die Tagesordnung gesetzt hatte, ohne diese Träume richtig gedeutet zu haben, lässt sich für das 21. Jahrhundert sagen, dass es mit einer neuen Traumdeutung beginnen muss. In dieser wird gefragt werden, auf welche Weise die Menschheit ihre Suche fortsetzt, ohne die wir nicht zu sagen wüssten, was das In-der-Welt-Sein für uns bedeutet.

Literatur:


Was geschah im 20. Jahrhundert?: Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft
von Peter Sloterdijk

Freitag, 24. Juli 2015

»Kritik der zynischen Vernunft« von Peter Sloterdijk

Peter Sloterdijk

Die »Kritik der zynischen Vernunft« ist ein 1983 erschienenes zweibändiges Werk des deutschen Philosophen Peter Sloterdijk. Das Werk behandelt den Kynismus/Zynismus als gesellschaftliches Phänomen der europäischen Geschichte. Mit diesem Werk gelang Peter Sloterdijk der Durchbruch als philosophischer Autor.

In seiner »Kritik der zynischen Vernunft« stellt Peter Sloterdijk dem antiken Zynismus dem modernen Zynismus entgegen. Der erste Band beinhaltet die philosophischen Grundlagen. Der zweite Band fächert darauf aufbauend eine Phänomenologie der Handlungsgeschichte auf. In beiden Bänden ist der Text-Bild-Bezug ein integraler Bestandteil des philosophischen Diskurses.



Im Jahr 1984 veröffentlichte der deutsche Philsosoph Peter Sloterdijk sein Buch »Zur Kritik der zynischen Vernunft«. Peter Sloterdijk verstand Aufklärung als Ideologiekritik und Erneuerung des Kynismus. Sein Vorbild waren die Kyniker der Antike. Für Sloterdijk bedarf moderne Aufklärung eines kynischen Impulses, d.h. der Frechheit von unten.

Dargestellt wird an einem Kabinett der historischen Kyniker, von Diogenes in der Tonne bis Adolf Hitler, die neue Betrachtung der Geschichte der Aufklärung: Die Aufklärung wird dazu benutzt, die Praktiken der Amoral und des Beschiss' zu verstärken.

Aufklärung hat nicht die Menschen besser gemacht, sondern die Drecksmethoden der Privilegierten nunmehr auch den einfacheren Leuten zugänglich gemacht. Während früher der Papst öffentlöich Wasser predigte und heimlich Wein soff, somacht heute jeder kleine Bausparer seine Versicherungsbetrüge und nennt es Sünde und Kavaliersdelikt, derer man sich in Gesellschaft sogar selbst rühmt.


200 Jahre nach dem Erscheinen von Kants »Kritik der reinen Vernunft« sieht sich jede Kritik, die Aufklärung in der Gegenwart einlösen will, mit einer neuen Form des falschen Bewusstseins konfrontiert. Dieses falsche Bewusstsein beruht weder auf Lüge noch auf Irrtum, es ist auch nicht durch die auf eine "Kritik der politischen Ökonomie" gestützte Ideologiekritik aufzulösen.

Zynismus ist das aufgeklärte falsche Bewußtsein. Es ist das modernisierte unglückliche Bewußtsein, an dem Aufklärung zugleich erfolgreich und vergeblich gearbeitet hat. Es hat seine Aufklärung gelernt, aber nicht vollzogen und wohl nicht vollziehen können. Gutsituiert und miserabel zugleich fühlt sich dieses Bewusstsein von keiner Ideologiekritik mehr betroffen, da seine Falschheit bereits reflexiv gefedert ist.
Peter Sloterdijk

Sloterdijk - ein aufgeklärter Vertreter der zynischen Vernunft - übt in seinem Werk moderne Ideologiekritik im aufgeklärten Sinne. Das Herrschaftwissen der Eliten hält sich den Schleier der Demaskierung selber vor - es ist zynisch geworden. Zeit also, sich um eine zeitgemäße Aufklärung zu bemühen. Diesem Unterfangen widmet sich Sloterdijk in seinem epochalen Werk anhand der Verfahrensweisen des antiken Kynismus.

Sloterdijks Werk ist der Kristallisationskern, um den sich eine Realphilosophie eines erneuerten Kynismus entfalten kann.

Dieses Werk ist im besten Sinne aufklärerisch, denn es legt den Finger auf eine Wunde unserer modernen Geschichte. Dass nämlich jeder aufklärerische Impuls irgendwann zu Denkfaulheit und Abgestumpftheit des Herzens verflacht und dann zynisch wird. Anders gesagt: Wer irgendwann in der Geschichte recht bekam, der kämpfte darum, recht zu behalten, und wer so oft recht behielt, dass er sich gar nicht mehr rechtfertigen musste, der wurde gar zynisch.

Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft
von Peter Sloterdijk


Weblink:

Zynismus und Gesellschaft – von den Alten zu den Zeitgenossen - www.streifzuege.org

Dienstag, 17. Juni 2014

»Die schrecklichen Kinder der Neuzeit« von Peter Sloterdijk


»Die schrecklichen Kinder der Neuzeit« ist eine Kritik der Moderne. In seiner neuen Veröffentlichung hat Peter Sloterdijk ein anthropologisches und dystopisches Werk vorgelegt, eine unverwechselbare sloterdijksche Mischung aus philosophiekundiger Kulturgeschichte, garniert mit tausend witzigen Wendungen, unzähligen Neologismen und einer guten Prise Apokalyptik und Zynismus.

Sloterdijk beschreibt die geistige Obdachlosigkeit der Moderne in der Folge der Französischen Revolution. Dort geschah ein Bruch mit dem Alten, mit der Tradition, doch sieht er auf diese - vermutlich um seiner Kritik der Moderne ein Fundament zu geben - zu gutgläubig, zu bedürftig, um einen Grund unter seinen Gedanken zu spüren.

Die schrecklichen Kinder der Neuzeit
Die schrecklichen Kinder der Neuzeit

Sloterdijk stellt darin die großen anthropologischen Fragen: Was treibt die Menschheit voran? Entwickelt sie sich von Niederem zu Höherem? Orientiert sich Fortschritt an Lehren aus der Geschichte? Ist Geschichte als Progression der und in der Freiheit zu begreifen?

Solche überkommenen Fragen und die korrespondierenden unpassenden Antworten blenden den Übergang von einer Generation zur nächsten aus, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer mehr gefährdet ist.


Mit dem Gelingen oder Scheitern dieses Übergangsstadiums, in welchem teilweise kriegerische und mörderische, teilweise die Population ganzer Kontinente auslöschende Szenarien dominieren, steht der Fortbestand der uns bekannten Zivilisation auf dem Spiel, behauptet Sloterdijk.

Deshalb ist das neue Buch von Peter Sloterdijk eine Dystopie von der pessimistischen Sorte - ein Schwarzbuch über kommende Generationen. Wenn in der Moderne die Traditionsfäden chronisch reißen und immerfort neue Vektoren den Zug in Kommende bestimmen, wandeln sich die Individuen zu »Kindern ihrer Zeit«, Nachkommen »schlagen aus der Art«.

Da moderne Eltern-Generationen selbst meist schon zivilisatorisch labil antreten, gerät die Formung ihres Nachwuchses zu einem unbeendbaren Match zwischen potentiell schrecklichen Eltern und potentiell schrecklichen Kindern.


Das Werk ist Futter für ein verrohtes Bürgertum: Mit seinem neuen Buch »Die schrecklichen Kinder der Neuzeit« entpuppt sich der "elastische Konservative" Peter Sloterdijk endgültig als Reaktionär und Ressentimentlieferant.


Weblink:

Der Stil Peter Sloterdijks - zwey.me


Literatur:

Die schrecklichen Kinder der Neuzeit
Die schrecklichen Kinder der Neuzeit
von Peter Sloterdijk


Samstag, 12. April 2014

Peter Sloterdijk ist selbst zum Zyniker geworden

Peter Sloterdijk

Nach Peter Sloterdijk wird jedes Herrschaftswissen, das sich lange genug an der Macht befindet, irgendwann zynisch. - So weit, so gut. So scheint es ich auch mit Peter Sloterdijk und seinem Wissen zu verhalten. Mittlerweile scheint Sloterdijk seine These zu bestätigen.

Sloterdijk selbst ist zum Zyniker - oder sollte man vielleicht sagen: Der altersgreise Philosoph ist zum Opfer genau des Herrenzynismus, den er einst kynisch zu kritisieren wusste, geworden. Nur so lassen sich seine Einlassungen zur ökonomischen Moderne und ihren Implikationen erklären.

Sloterdijk, einer der schillerndsten Exponenten der philosophischen Zunft, hat offensichtlich die Seiten gewechselt. Der Modephilosoph hat inzwischen eben diesen Herrenzynismus zugelegt, den er in seinem epochalen Werk »Kritik der zynischen Vernunft« (1983) noch mit angemessenen Argumenten kritisierte:


»Der moderne Zynismus ist die Herrenantithese gegen
den eigenen Idealismus als Ideologie und als Maskerade.«


Dabei beläßt er es bei seinen Einlassungen nicht beim Zynismus, den man als versnobte oder versoffene Schwätzerei eines in die Jahre gekommenen Ex-Stars der Philosophie abtun könnte. - Sloterdijk meinte allen Ernstes in seinern versnobten Intelligenz:

»So kann es in der ökonomischen Moderne dahin kommen,
dass die Unproduktiven mittelbar auf Kosten der Produktiven leben.«


Auch bei dieser Einlassung im Geiste des Abträglichen scheint sich zu bestätigen:

»Einer neuen Wahrheit ist nichts abträglicher als ein alter Zynismus!«


Weblink:

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft
von Peter Sloterdijk

Samstag, 29. März 2014

»Kritik der zynischen Vernunft« - Definitionen des Zynismus

Peter Sloterdijk


Peter Sloterdijk gelang mit der »Kritik der zynischen Vernunft« aus dem Jahr 1983, in dem er sich als neuzeitlicher Denker der Aufklärung präsentierte,  der Durchbruch als philosophischer Autor. Der Philosoph Sloterdijk liefert hierin drei phänomenologische Definitionen des Zynismus.

In der ersten, allgemeinen Definition erscheint der Zynismus als »das aufgeklärte falsche Bewusstsein«, dessen »Falschheit bereits reflexiv gefedert« ist.

Die zweite, historische Definition unterscheidet zwei Formen des polemischen Bewusstseins: den Zynismus »von oben« und den Kynismus »von unten«: Der antike Kynismus spiegele den »Drang von Individuen, gegen die Verdrehungen und Halbvernünftigkeiten ihrer Gesellschaften sich selbst als vollvernünftig-lebendige Wesen zu erhalten«.

Die dritte, phänomenologische Definition beschreibt die Subversion selbsterkorener Wahrheitsinstanzen durch Verweis auf die »nackte« Wahrheit:

»Das zynische Denken nämlich kann nur erscheinen, wo von den Dingen zwei Ansichten möglich geworden sind, eine offizielle und eine inoffizielle, eine verhüllte und eine nackte, eine aus der Sicht der Helden und eine aus der Sicht der Kammerdiener.«

»Zynismus ist das aufgeklärte falsche Bewußtsein. Es ist das modernisierte unglückliche Bewußtsein, an dem Aufklärung zugleich erfolgreich und vergeblich gearbeitet hat. Es hat seine Aufklärung gelernt, aber nicht vollzogen und wohl nicht vollziehen können. Gutsituiert und miserabel zugleich fühlt sich dieses Bewußtsein von keiner Ideologiekritik mehr betroffen, da seine Falschheit bereits reflexiv gefedert ist.« Den Gehalt dieses selbst zynischen Satzes sucht der vorliegende Essay zu entwickeln, in einer Form, die sich der Verfahrensweisen des antiken Kynismus bedient: des Lachens, der Beschimpfung, der Angriffe. Aufgezeigt wird - in einem einleitenden Abschnitt - wie die verschiedenen Strategien aufklärerischer Kritik von den jeweiligen Gegenmächten umgebogen wurden und schließlich in unserem Jahrhundert in den modernen Zynismus münden. »Der zynische Herr lüpft die Maske ein wenig, zumal man ohnedies versucht, sie ihm herunterzureißen, lächelt seinen schwächeren Gegenspieler an - und unterdrückt ihn doch. Sachzwang, Machtzwang! Wissen ist Macht, auch so. Die Vormacht lüftet in ihren Zynismen ein wenig ihre Geheimnisse, treibt sozusagen ein bißchen Selbstaufklärung und ›plaudert aus der Schule‹.«

Die verschiedenen Ausprägungen dieses Zynismus läßt Sloterdijk in einem zweiten Abschnitt Revue passieren. Im letzten Teil seiner Untersuchung analysiert der Autor eine Epoche, in der der moderne Zynismus das politische und kulturelle Bewußtsein zum ersten Mal deutlich prägte: die Weimarer Republik, deren erstes Erbe der Faschismus und dessen zweiter Sproß unsere Zeit ist.

Weblink:

Was ist Zynismus? - sarkasmus-ironie-zynismus.de
Sloterdijk vergisst aber nicht, in dem Werk darauf hinzuweisen, daß jeder aufklärerische Impuls irgendwann zu Denkfaulheit und Abgestumpftheit des Herzens verflacht und dann zynisch wird. Anders gesagt: Wer irgendwann in der Geschichte recht bekam, der kämpfte darum, recht zu behalten, und wer so oft recht behielt, dass er sich gar nicht mehr rechtfertigen musste, der wurde gar zynisch. - Dies kann man als negative »Dialektik der Aufklärung« bezeichnen.



In seiner »Kritik der zynischen Vernunft« stellt Peter Sloterdijk dem antiken Zynismus dem modernen Zynismus entgegen.


Weblink:

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft
von Peter Sloterdijk

Samstag, 22. März 2014

»Kritik der zynischen Vernunft« von Peter Sloterdijk

Kritik der zynischen Vernunft Peter Sloterdijk

Die »Kritik der zynischen Vernunft« ist ein 1983 erschienenes zweibändiges Werk des deutschen Philosophen Peter Sloterdijk. Das Werk behandelt den Kynismus/Zynismus als gesellschaftliches Phänomen der europäischen Geschichte. Mit diesem Werk gelang Peter Sloterdijk der Durchbruch als philosophischer Autor. Das zweibändige Werk erschien 1983 vor dem Hintergrund der atomaren Bedrohung und das NATO-Raketen-Nachrüstungsbeschlusses und stieß auf ein großes Echo.

Dieses epochale Werk ist ein Versuch der Neubewertung der Aufklärung im Zeitalter der Gegenwart ganz im Sinne Immanuel Kants. Sloterdijk betreibt darin moderne Aufklärung als Ideologiekritik. Der erste Band beinhaltet die philosophischen Grundlagen. Der zweite Band fächert darauf aufbauend eine Phänomenologie der Handlungsgeschichte auf. In beiden Bänden ist der Text-Bild-Bezug ein integraler Bestandteil des philosophischen Diskurses.



200 Jahre nach dem Erscheinen von Kants »Kritik der reinen Vernunft« sieht sich jede Kritik, die Aufklärung in der Gegenwart einlösen will, mit einer neuen Form des falschen Bewußtseins konfrontiert. Dieses falsche Bewusstsein beruht weder auf Lüge noch auf Irrtum, es ist auch nicht durch die auf eine "Kritik der politischen Ökonomie" gestützte Ideologiekritik aufzulösen.




Zynismus ist das aufgeklärte falsche Bewußtsein. Es ist das modernisierte unglückliche Bewußtsein, an dem Aufklärung zugleich erfolgreich und vergeblich gearbeitet hat. Es hat seine Aufklärung gelernt, aber nicht vollzogen und wohl nicht vollziehen können. Gutsituiert und miserabel zugleich fühlt sich dieses Bewusstsein von keiner Ideologiekritik mehr betroffen, da seine Falschheit bereits reflexiv gefedert ist.

Peter Sloterdijk



Sloterdijk - ein aufgeklärter Vertreter der zynischen Vernunft - übt in seinem Werk moderne Ideologiekritik im aufgeklärten Sinne. Das Herrschaftwissen der Eliten hält sich den Schleier der Demaskierung selber vor - es ist zynisch geworden. Zeit also, sich um eine zeitgemäße Aufklärung zu bemühen. Diesem Unterfangen widmet sich Sloterdijk in seinem epochalen Werk anhand der Verfahrensweisen des antiken Kynismus.

Aufklärung erfordert heute den Mut zur Frechheit, um dem vorherrschenden Herrenzynismus zu begegnen. Für Sloterdijk bedarf moderne Aufklärung eines kynischen Impulses, d.h. der Frechheit von unten. Sloterdijks Werk ist der Kristallisationkern, um den sich eine Realphilosophie eines erneuerten Kynismus entfalten kann.

Dieses Werk ist im besten Sinne aufklärerisch, denn es legt den Finger auf eine Wunde unserer modernen Geschichte. Dass nämlich jeder aufklärerische Impuls irgendwann zu Denkfaulheit und Abgestumpftheit des Herzens verflacht und dann zynisch wird. Anders gesagt: Wer irgendwann in der Geschichte recht bekam, der kämpfte darum, recht zu behalten, und wer so oft recht behielt, dass er sich gar nicht mehr rechtfertigen musste, der wurde gar zynisch.


Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft
von Peter Sloterdijk

Dienstag, 10. Juli 2012

Peter Sloterdijks Essay »Gottes Eifer«

Peter Sloterdijk

Peter Sloterdijk hat zahlreiche Beiträge zur Debatte über Religion und Gesellschaft veröffentlicht.
Im seinem Essay »Gottes Eifer« von 2007 vergleicht Sloterdijk die drei großen monotheistischen Religionen: Judentum, Christentum und Islam. Dabei führt der Autor sie auf ihre abrahamitischen Wurzeln zurück und beschreibt, was sie voneinander trennt und worin sich die Glaubensinhalte unterscheiden.

Er geht der Frage nach, welche politisch-sozialen und psychodynamischen Voraussetzungen die Entstehung des Monotheismus bedingten. Das Judentum emanzipierte sich zuerst gegen den Polytheismus der Ägypter, Hethiter und Babylonier und behauptete sich als Protesttheologie des „Triumphs in der Niederlage“.

Während die Religion des Judentums auf das eigene Volk begrenzt blieb, modifizierte das Christentum mit seiner apostolischen Botschaft auch vorhandene Naturreligionen und bezog sie in ihren universalen Verkündigungsgehalt mit ein. Der Islam verschärfte den offensiven Universalismus zum militärisch-politischen Expansionsmodus.

Sloterdijk kommt nun zu der Annahme, dass die große Gemeinsamkeit der drei Religionen die „eifernde“ und „einwertige“ Ausprägung ihres Anspruchs auf die Gotteswahrheit sei. Dies führe zwingend zu einer konfrontativen Grundkonstellation, die unsere Gegenwart in bisher nicht gekanntem Maß bestimme.

Die Reaktionen auf die gegenseitigen Angriffe und die von außen seien unterschiedlich: Für das Judentum wurde ein souveränistischer Separatismus mit defensiven Zügen prägend, für das Christentum die Expansion durch Mission und für den Islam der Heilige Krieg. Diese Konflikte würden durch den menschlichen Todestrieb verstärkt und seien damit schwer zu lösen.

Sloterdijk geht davon aus, dass der Glaube eine anthropologische Grundkonstante ist. Er wirft im weiteren die Frage auf, ob und wie die Religionen auf einen „zivilisatorischen Weg“ geführt werden können, um ihr geistiges Potential nutzbar zu machen.

In der Gegenwart seien die drei Religionen aufgefordert, so demonstriert Sloterdijk anhand einer Neuinterpretation von Lessings Ringparabel, von Eifererkollektiven zu Parteien einer Zivilgesellschaft zu werden.

Dienstag, 26. Juni 2012

Peter Sloterdijk 65. Geburtstag

Peter Sloterdijk

Der Philosoph, Kulturwissenschaftler und Buchautor Peter Sloterdijk wurde am 26. Juni 1947 als Sohn einer Deutschen und eines Niederländers geboren. Peter Sloterdijk gehört zu den massgeblichen intellektuellen Instanzen in Deutschland.

Sloterdijk ist ein grosser Stilist und Querdenker, der sich immer wieder in aktuelle Debatten einmischt oder sie auch anstösst. Der Philosoph sorgt mit seinen Wortmeldungen regelmässig für Erstaunen und Aufregung. Mit seiner 1999 gehaltenen Rede "Regeln für den Menschenpark".

Er ist im akademischen Betrieb genauso zu Hause wie in den Feuilletons. Mit seinen Büchern erreicht er eine breite Leserschicht, die weit über die philosophische Fachwelt hinausreichen und ihn populär gemacht haben. Mit seinen Beiträgen und Büchern hat der streitbare Philosoph in Deutschland zahlreiche Debatten ausgelöst und angeregt.

Von 1968 bis 1974 studierte er in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. 1971 erstellte Sloterdijk seine Magisterarbeit mit dem Titel »Strukturalismus als poetische Hermeneutik«.

In den Jahren 1972/73 folgten ein Essay über Michel Foucaults strukturale Theorie der Geschichte sowie eine Studie mit dem Titel Die Ökonomie der Sprachspiele. Zur Kritik der linguistischen Gegenstandskonstitution. Im Jahre 1976 wurde Peter Sloterdijk von Professor Klaus Briegleb zum Thema »Literatur und Organisation von Lebenserfahrung. Gattungstheorie und Gattungsgeschichte der Autobiographie der Weimarer Republik 1918-1933« promoviert.

Zwischen 1978 und 1980 hielt sich Sloterdijk im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh (später Osho) im indischen Pune auf. Seit den 1980er Jahren arbeitet Sloterdijk als freier Schriftsteller. Das 1983 im Suhrkamp Verlag publizierte Buch »Kritik der zynischen Vernunft« zählt zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts.

Seit 2001 ist Sloterdijk in Nachfolge von Heinrich Klotz Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe sowie dort Professor für Philosophie und Ästhetik.

Weblink:

Peter Sloterdijk - Der Philosoph und Autor befragt von Frank A. Meyer - 3 Sat Kulturzeit

Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
»Kritik der zynischen Vernunft«
von Peter Sloterdijk

Sonntag, 3. Juli 2011

Peter Sloterdijks Werke

Peter Sloterdijk

Mit seinen Beiträgen und Büchern in hat der streitbare Philosoph Deutschland zahlreiche Debatten ausgelöst hat. Der Durchbruch als philosophischer Autor gelang Peter Sloterdijk mit der »Kritik der zynischen Vernunft« aus dem Jahr 1983.

»Die Regeln für den Menschenpark« erregten 1999 eine heftige öffentliche Debatte. Man warf dem Autor der Rede vor, ein Plädoyer für eine faschistoide Züchtungsideologie gehalten zu haben. In den Jahren um die Jahrtausendwende ist sein „Opus Magnum“, die »Sphären-Trilogie« (1998/1999), entstanden.

Sloterdijks kulturkritisch-essayistisches Denken hat seinen Ursprung in der »Frankfurter Schule«, von der er sich später jedoch dezidiert abgrenzte.

Methodisch assimiliert der Philosoph das dazu antipodische Werk Heideggers, um gegenwärtig die Traditionen Nietzsches und Hegels zu aktualisieren.

Weblink:

Kritik der zynischen Vernunft
»Kritik der zynischen Vernunft«
von Peter Sloterdijk